Expertin Nicole Evers klärt auf

Digitalisierung in kieferorthopädischen Praxen | Was ist bei der Abrechnung zu beachten?

Die Digitalisierung der kieferorthopädischen Praxen schreitet unaufhaltsam voran und bringt kontinuierlich neue Techniken und Möglichkeiten hervor. Dies führt zu massiven Veränderungen im Praxisalltag und betrifft insbesondere den Bereich der Abrechnung sowie die Gestaltung neuer, digitaler Workflows.

Moderne digitale Verfahren und Therapieansätze, die den Behandlungsablauf erleichtern, wurden bislang nicht in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen, so dass neben Abrechnungskonzepten für Privatversicherte auch die Aufnahme in den praxisinternen AVL-Katalog als Mehr- und Zusatzleistung gestaltet werden muss. Dabei splittet sich die digitale Abrechnung in GOZ- und Laborleistungen.

In diesem Artikel finden Sie folgende Themen: 

  1. Intraoralscan
  2. Herstellung von Alignerschienen
  3. Indirektes Kleben und Attachments
  4. Herstellung digital designter Apparaturen
  5. Gestaltung des digitalen Workflows
Hast du Fragen zum Thema Abrechnung?

Intraoralscan

Die optisch-elektronische Abformung bzw. der Intraoralscan wird über die Gebührenziffer GOZ 0065 abgerechnet. Da diese Ziffer je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich zu berechnen ist, fällt die Gebühr bei einem vollständigen Scan des Ober- und Unterkiefers viermal an. Hierbei lohnt es sich zu wissen, dass diese Gebührenposition ursprünglich für das Scannen von Zahnstümpfen vor der Herstellung von CAD/CAM gefertigten Kronen in die Gebührenordnung aufgenommen worden war. D. h. die Bemessung des Honorars mit Faktor 2,3 entspricht nicht der Leistung, die in der Kieferorthopädie i. d. R. erbracht wird, wenn zusätzlich zu den Zähnen auch der Gaumen sowie das Vestibulum und die Umschlagfalten gescannt werden. Eine Berechnung mit einem gesteigerten Faktor ist also aufgrund des höheren Aufwandes gerechtfertigt

Eine passende Begründung könnte lauten: Vollständiger Scan inkl. Gaumen, Bänder und Umschlagfalten, dadurch erheblich erhöhter Zeitaufwand.

Enthalten im Leistungsumfang der Ziffer 0065 sind alle vorbereitenden Maßnahmen, die einfache Bissregistrierung sowie die Archivierung der Daten. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass alle Tätigkeiten zur weiteren Verarbeitung des Intraoralscans berechnungsfähig sind. Diese sind im Wesentlichen: Optimierung des 3D-Modells, Übertragen der Daten in eine Bearbeitungssoftware bzw. zu einem Dienstleister, die digitale Zuordnung des Bisses, das digitale Sockeln des Modells sowie die Modellanalyse. 

Für alle diese Leistungen existieren in den bestehenden Abrechnungskatalogen bisher keine Abrechnungsziffern. Daher ist es notwendig, die entsprechenden Ziffern neu anzulegen. Für die Modellanalyse bietet sich die Analogberechnung der GOZ 6010 (Kiefermodellanalyse, je 0060) an. Die Formulierung der Analogziffer lautet dann wie folgt: 6010a Analyse eines opto-elektronischen Modells, gemäß § 6 GOZ analog Ziffer 6010 Kiefermodellanalyse, je 0060. Alternativ zur Berechnung mittels Analogposition bietet sich die Ziffer 0812 BEB (Modellanalyse) an. Diese kann auch zur Honorierung des Clin-Checks herangezogen werden.

Relativ häufig wird die Berechnung der Modellanalyse bei vorausgegangenem Intraoralscan von privaten Versicherungen und Beihilfen beanstandet mit der Begründung, die Auswertung der Modelle sei in der Leistungsziffer 0065 bzw. in den Abschlagspositionen enthalten. Diese Behauptung ist schlichtweg falsch, wie uns der Blick in die Leistungsbeschreibungen verrät.

Die Bearbeitung der Scans stellt eine Laborleistung dar und kann als solche berechnet werden – und zwar gleichgültig, wer die Leistung erbringt. Die BEB-Ziffern müssen dafür jedoch separat angelegt werden, da weder in der BEB 97 noch in der BEB 2009 entsprechende Leistungen beschrieben sind. Unter Beachtung der BEBSystematik werden noch freie Ziffern im BEB-Katalog belegt:

BEB ´97 Anzahl Leistungsbeschreibung Planzeit (Min.1)
0027² 2 3D-Modell digitalisieren je 15
0028² 2 3D-Modell optimieren je 10
0029² 1 Biss digital zuordnen je 1
0030² 1 Virtuelles Modellpaar sockeln 15

Tabelle 1

1 Geschätzte Planzeit bei neu anzulegenden Positionen (die Planzeit kann individuell angepasst werden)
² Position ggf. neu anlegen

Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass für jede neu angelegte BEB-Ziffer Planzeiten vergeben werden müssen. Die in den Tabellen aufgeführten Planzeiten stellen dabei praxiserprobte Beispiele dar. Die Planzeiten werden nun mit dem praxisindividuellen Minutenpreis multipliziert. Zur Ermittlung der Minutenpreise sollte eine betriebswirtschaftliche Kalkulation durchgeführt werden. Bei dieser werden neben den Gehältern der Techniker anteilig auch alle laufenden Kosten in die Berechnung der Laborpreise einbezogen. 

Die Erfahrung zeigt, dass eine Kalkulation der BEB-Preise in den allermeisten Praxen eher unregelmäßig erfolgt. Die Folge ist, dass mit Laborpreisen abgerechnet wird, die statt eines Gewinns ein Defizit für die Praxis bedeuten. Um dies zu vermeiden, sollte der Laborminutenwert möglichst einmal pro Jahr berechnet werden. Die Berechnung gelingt leicht über eine vorkonfigurierte Excel-Tabelle oder über die Nutzung des Beratungsangebotes erfahrener Coaches (nähere Informationen erteilt die Autorin auf Nachfrage).

Wird der Intraoralscan als Mehrleistung erbracht, so ist für die vollständige digitale Abformung beider Kiefer ebenfalls die Ziffer 0065 anzusetzen – allerdings unter Abzug der Gebührennummer 7a, die dann als Kassenleistung berechnet wird. Abformpauschalen sowie Modelle für die Diagnostik dürfen in diesem Fall nicht berechnet werden. Stattdessen wird die 7a mit dem Buchstaben D ergänzt, um die Erkennbarkeit der digitalen Leistung zu gewährleisten. Alle oben aufgeführten BEB-Leistungen zur weiteren Bearbeitung der Scans gehören in den AVL-Vertrag und sind zu 100 % als Privatleistung vom Patienten zu tragen. Insgesamt drei elektronische Abformungen dürfen auf diese Weise als Mehrleistung berechnet werden. Soll darüber hinaus mit dem Versicherten vereinbart werden, dass auch Abformungen für kieferorthopädische Apparaturen digital erstellt werden, so handelt es sich hierbei um reine Privatleistungen. Dies schließt auch den Druck der 3D-Modelle ein.

Herstellung von Alignerschienen

Immer beliebter werden auch die Behandlung mit Alignern aus dem Eigenlabor. Hierbei fallen Arbeitsschritte an, für die im BEB-Katalog teilweise bereits Leistungsziffern angelegt sind, andere Leistungsziffern müssen nach der oben bereits beschriebenen Systematik angelegt werden (s. Tabellen 2 - 4).

Um das digitale Modell in einer geeigneten Software weiter bearbeiten zu können, muss der Scan zunächst segmentiert werden. Anschließend wird das virtuelle Setup durchgeführt. Für die Berechnung dieser Arbeitsschritte ist es notwendig, neue Abrechnungsziffern zu generieren. Es folgt der Druck der 3D-Modelle. Dieser kann über die im BEB 97 enthaltene Ziffer 0009 (Modell aus Kunststoff) berechnet werden, wenn es sich um ein gesockeltes Modell handelt. Für die Herstellung von Alignern ist jedoch meist nur das Drucken eines Zahnkranzes notwendig. Da diese Leistung nicht im BEB-Katalog enthalten ist, muss sie neu angelegt werden (s. Tabelle 2). Die Planzeit bei den Positionen 0009 und 0013 sind so kalkuliert, dass sie auch die Nachbearbeitung des Modells umfassen. Das Material, das zum Drucken der Kunststoffmodelle bzw. -zahnkränze verwendet wird, kann gesondert berechnet werden. Dabei muss das Resin oder das Filament jedoch nicht zwingend grammgenau pro Modell berechnet werden. Ein ermittelter Durchschnittswert reicht für die Berechnung vollkommen aus.

BEB ´97 Anzahl Planzeit in Min.1
0031² je Modell 3D-Modell segmentieren je 5
0032² je Segment Virtuelles Setup durchführen je 3
0009 je Modell Modell aus Kunststoff (zzgl. Material) je 25
0013² je Zahnkranz Zahnkranz aus Kunststoff (zzgl. Material) je 20

Tabelle 2

Anschließend werden die Schienen auf den gedruckten Modellen hergestellt. Hierbei kommen BEB-Positionen zum Ansatz, die bereits im Labor-Katalog enthalten sind (s. Tabelle 3). Das Ausblocken von unter sich gehenden Stellen wie z. B. bei Brückengliedern oder Zahnzwischenräumen kann dabei gesondert berechnet werden. Das Fenstern der Schienen oder das Einbringen von Druckpunkten im Behandlungsverlauf stellen Leistungen dar, für die neue Laborpositionen angelegt und berechnet werden können (s. Tabelle 3)

BEB ´97 Anzahl Planzeit in Min.1
0303 je Modell Modell ausblocken je 2,1
7601 je Schiene Schiene tiefgezogen (zzgl. Material) je 60
7608² je Druckpunkt Druckpunkt in Schiene einarbeiten je 5
7609² je Fenster Fenster in Schiene einarbeiten je 10

Tabelle 3

Als weitere Methode bei der Herstellung von Alignern ist es möglich, die Schienen in einem 3D-Druckverfahren herzustellen. Bei dieser Technik werden die Aligner auf den virtuellen Modellen erzeugt und dann direkt gedruckt. Die digitale Erzeugung der Aligner stellt dabei ebenfalls einen Arbeitsschritt dar, der gesondert berechnet werden kann (s. Tabelle 4). Da die Herstellung dieser Variante erheblich aufwändiger ist, als die Anfertigung von Schienen mittels Tiefziehtechnik, empfiehlt sich auch hier die Schaffung einer neuen Abrechnungsziffer (s. Tabelle 4). Das Material, das zum Drucken der Schienen verwendet wird, ist ebenfalls berechnungsfähig.

BEB ´97 Anzahl Planzeit in Min.1
0823² je Schiene Konstruktionsplanung je 15
7607² je Schiene 3D gefertigte Schiene je 100

Tabelle 4

Indirektes Kleben und Attachments

Eine weitere Technik, die mittels digitaler Technik relativ mühelos gelingt, ist das indirekte Kleben. Hier kann bei der Berechnung der Leistungen größtenteils auf bereits im BEB vorhandene Ziffern zurückgegriffen werden (s. Tabelle 6):

BEB ´97 Anzahl Planzeit in Min.1
0301 je Zahn Zahn vermessen je 1,3
7431 je Zahn Bracket oder Attachment positionieren je 6
5307 je Bracket Metallfläche konditionieren je 8
1242 je Kieferhälfte Übertragungsmaske für Brackets (zzgl. Material) je 17
1243² je Kieferhälfte Übertragungsmaske anprobieren je 5
0732 je Kiefer Desinfektion je 6

Tabelle 6

Das Kleben der Attachments im Rahmen der Alignerbehandlung wird als GOZ 6100 berechnet. Die häufige Behauptung privater Versicherungen, dass das Kleben der Attachments in den Abschlagpositionen enthalten sei, ist falsch. Eine gute Argumentationshilfe bietet hier das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.02.2023 (AZ.: 4 S 153/22), das die Berechnungsfähigkeit von Attachments im Rahmen der Alignerbehandlung bestätigt.

Wird die Übertragungsschiene vor dem Kleben der Attachments anprobiert, ist dafür eine neu anzulegende BEBZiffer ansetzbar (s. Tabelle 6). Die Bestimmung der Zahnfarbe vor dem Kleben der Attachments kann als BEB 0723 berechnet werden.

Herstellung digital designter Apparaturen

Als vorerst letzte Möglichkeit der digitalen Kieferorthopädie soll hier noch die Anfertigung digital designter Apparaturen aufgegriffen werden. Sicherlich werden die allermeisten Praxen bisher nicht über einen 3D-Drucker für Metallapparaturen verfügen, allerdings ist es auch heute bereits möglich, entsprechende Geräte mit spezieller Software selbst zu designen und dann in einem Speziallabor drucken zu lassen. Die Abrechnungsweise wird in Tabelle 5 am Beispiel eines Herbstscharniers aufgezeigt.

BEB ´97 Anzahl Planzeit in Min.1
0027² 2 3D-Modell digitalisieren je 15
0028² 2 3D-Modell optimieren je 10
0029² 1 Biss digital zuordnen je 5
0031² je Modell 3D-Modell segmentieren je 5
0302 je Modell Modell vermessen je 5,5
0824² je Gerät Konstruktionsplanung für 3D gedruckte Apparatur je 45
GOZ Anzahl Faktor Bezeichnung
0065 4 3,50 Optisch-elektronische Abformung
Begründung: Vollständiger Scan inkl. Gaumen, Bänder und Umschlagfalten, dadurch erheblich erhöhter Zeitaufwand.
63,00
6120 12 3,50 Eingliederung eines Bandes
Begründung: Besondere Schwierigkeit bei der Eingliederung einer starren Apparatur
543,48
6160 4 3,50 Eingliederung einer intra-/extraoralen Verankerung
Begründung: Eingliederung eines 3D gedruckten Herbstscharniers mit erheblich erschwerter Sicht in das Behandlungsfeld, dadurch erheblich erhöhter Zeitaufwand
291,34
Leistungen im Fremdlabor
Herstellungskosten Herbstscharnier

Tabelle 5

Gestaltung des digitalen Workflows

Eine Schwierigkeit, die auch vollständig digital arbeitende Praxen immer wieder bewerkstelligen müssen, ist die Gestaltung des Workflows. Um zu gewährleisten, dass alle Aufgaben vom Scan über die Auswertung der digitalen Modelle bis hin zur Fertigstellung der kieferorthopädischen Geräte termingerecht erfolgen, ist es notwendig, Arbeitsabläufe zu definieren, die ein störungsarmes Arbeiten ermöglichen.

Eine Methode, die sich hierfür anbietet, ist die Nutzung eines Kanban Boards. Dabei handelt es sich um eine Methode aus dem Projektmanagement, die die Visualisierung von Arbeitsabläufen möglich macht. Workflows werden dabei in einzelne Arbeitsschritte unterteilt und der Arbeitsfortschritt überwacht. Im Fall der InhouseFertigung von Alignern etwa würde das Kanban Board in folgende Arbeitsschritte unterteilt: Intraoralscan, Segmentierung, Setup, Druck der Modelle/Zahnkränze, Fertigung der Aligner, Verpacken der Schienen, Herausgabe an den Patienten. 

Die Vorteile liegen auf der Hand: durch strukturiertes Vorgehen können alle Leistungen abgearbeitet werden. Dies gelingt vor allem auch dann, wenn die einzelnen Arbeitsschritte von verschiedenen Mitarbeitenden ausgeführt werden. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Zuständigkeiten vorab festgelegt werden. Ein weiterer Vorteil, den ein digital gestalteter Workflow bietet, ist, das mobile Arbeiten von nahezu überall zu ermöglichen. Passende Apps finden sich auch im Internet (z. B. Meister Task).

Hast du Fragen zum Thema Abrechnung?

Zögere nicht, unsere Expertin und Autorin dieser Kolumne um Rat zu fragen:

Abacus Praxisconsulting - Nicole Evers

nicole-evers.jpg?1744717351Tel.: +49 (0) 4124 / 60 89 44
Mobil: +49 (0) 160 / 30 83 991
Mail: info@abacus-praxisconsulting.de
Web: www.abacus-praxisconsulting.de

  • Praxismanagerin
  • Betriebswirtin im Gesundheitswesen 
  • zertifizierte Personaltrainerin 
  • Autorin

Alternativ kannst du auch unser Online-Formular nutzen, um direkt eine Beratung anzufordern.

Zum allgemeinen Kontaktformular
Alle Artikel immer griffbereit

Klassisch - und gleichzeitig praktisch digital: Mit unseren Katalogen hast du unsere komplette Produktwelt und Sonderaktionen als digitale Kataloge komplett zur Hand. Bestens geeignet für jede Telefon-Order.

Zu unseren Katalogen
Alle Artikel immer griffbereit

Nutze die Gelegenheit, dich mit den Fortbildungen der SCHEU ACADEMY nicht nur zeitgemäß und aktuell aufzustellen, sondern dich durch modernste Verfahrensweisen auch vom Wettbewerb abzuheben.

Zur Seite der SCHEU ACADEMY